Schweizer entwickeln Wasserstoff-Tankstelle für zu Hause
Die Brennstoffzelle gilt als
Traumantrieb für Autos der Zukunft. Emissionsfrei und ohne eingeschnürte
Reichweite. Mit einer neuen Technik könnten Haushalte den benötigten
Kraftstoff selbst herstellen und speichern.
Von Ralph Diermann
Die Wasserstoff-Brennstoffzelle gilt neben Batterien als eine Schlüsseltechnologie für schadstofffreie Mobilität. Doch bislang mangelt es in Deutschland an Wasserstofftankstellen. Wissenschaftler der Polytechnischen Hochschule Lausanne haben jetzt ein System von der Größe eines Kühlschranks entwickelt, mit dem auch Privatpersonen ihren eigenen Wasserstoff herstellen können. Das System benötigt lediglich Wasser und Strom für die Spaltung von Wasser- und Sauerstoff. Die notwendige und normalerweise stromfressende Komprimierung des Wasserstoffs erfolgt durch Wärmezufuhr. Erste Prototypen werden derzeit in der Praxis getestet.
Das Gerät, das emissionsfreier Mobilität zum Durchbruch verhelfen
soll, ist groß wie ein Kühlschrank und verwandelt die heimische Garage
in eine Öko-Zapfanlage. Die Mini-Tankstelle für Wasserstoff
wurde von Wissenschaftlern der Polytechnischen Hochschule im
schweizerischen Lausanne (EPFL) entwickelt und soll eines Tages
Hausbesitzern ermöglichen, das energiereiche Gas nicht nur zu speichern,
sondern gleich auch selbst zu produzieren.
Wasserstoff hat viele Voraussetzungen für ein Traumgemisch der Energiewende:
Gewonnen wird er in einem Elektrolyseur, der Wasser (H2O) unter Strom
setzt, sodass sich Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) voneinander
trennen. In einem zweiten Schritt lässt sich der Wasserstoff zu
synthetischem Erdgas, Benzin, Diesel oder Kerosin verarbeiten und ist
damit vielseitig einsetzbar. Brennstoffzellen-Fahrzeuge fahren mit
reinem Wasserstoff völlig schadstofffrei und klimaneutral,
wenn er per Elektrolyse mit Wind- oder Solarstrom erzeugt wird. Bezogen
auf das Gewicht, enthält er fast drei Mal mehr Energie als Benzin,
Autos trägt eine Tankfüllung daher mehrere hundert Kilometer weit. Und Wind- und Solarstrom lässt sich in ihm fast unbegrenzt lange speichern, ohne dass Energie verloren geht.
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Wenn da nur nicht seine extrem geringe Dichte wäre. Gasförmiger
Wasserstoff nimmt viel Raum ein - ein Kilogramm hat ein Volumen von etwa
zwölf Kubikmetern. Um ihn speichern, transportieren und tanken zu
können, muss er stark komprimiert oder verflüssigt werden. Das ist sehr
aufwendig und verbraucht eine Menge Strom.
Mit ihrer Neuentwicklung wollen die Forscher aus der Schweiz nun
ein Problem lösen, das derzeit auch die Elektromobilität ausbremst: Die
fehlende Ladeinfrastruktur. Derzeit gibt es deutschlandweit gerade
einmal rund 90 Wasserstoff-Tankstellen. Damit sich die Technologie
durchsetzt, sind nach Schätzungen des Beratungsunternehmens Ernst &
Young bundesweit jedoch mindestens 1000 Tankstellen nötig.
Schon wenige hundert private Keller-Tankstellen können da schnell einen
großen Unterschied machen. "Unser System hat die Größe eines
Kühlschranks", sagt Professor Andreas Züttel vom EPFL-Materiallabor für
erneuerbare Energien. "Privatpersonen können sich damit eine eigene,
kleine Tankstelle bauen."
Tankstelle von der Größe eines Kühlschranks
Herzstück des neu entwickelten Systems ist ein Metallhydrid, das die
Wasserstoffmoleküle wie ein Schwamm aufnimmt. "Wenn man Wärme zuführt,
erhöht sich der Gasdruck im Speicher. Damit komprimieren wir den
Wasserstoff", erklärt Züttel.
Auf diese Weise lässt sich genau das Druckniveau herstellen, das
für das Betanken der Fahrzeuge nötig ist. Dabei nimmt der Druck mit
steigender Temperatur - zugeführt durch einen Heizkessel - exponentiell
zu. Strom ist für das Speichern und Verdichten nicht notwendig. Ein
Elektrolyseur sorgt für steten Wasserstoff-Nachschub. Die Anlagen
benötigen lediglich Strom und Wasser. Den Strom für die Elektrolyse
können die Bewohner mit einer Photovoltaik-Anlage auf ihrem Dach
erzeugen.
Bis das System auf den Markt kommt, wird es aber noch ein wenig
dauern. Das Forscherteam hat zusammen mit Partnern Prototypen erstellt,
die jetzt in der Praxis getestet werden.
Langzeitspeicher für Wind- und Solarenergie
Der Wasserstoff-Speicher ist nicht nur interessant für den Verkehr,
meinen die EPFL-Experten. Er könnte auch als Langzeitspeicher für Solar- und Windenergie dienen.
So wollen die Schweizer Wissenschaftler ihren Speicher auch mit
Brennstoffzellen-Heizungen koppeln, wie sie etwa Viessmann oder die
Bosch-Tochter Buderus anbieten. Solche Anlagen gewinnen den nötigen
Wasserstoff heute aus Erdgas. Klimafreundlich ist das nicht.
Das ändert sich, wenn den Wasserstoff ein Elektrolyseur liefert,
der mit Strom aus einer Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach betrieben
wird. Hausbesitzer könnten mit der Sommersonne Wasserstoff auf Vorrat
produzieren und ihn dann so lange im Speicher lagern, bis die Tage
kälter werden.
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"Im Gegensatz zu Batteriespeichern kommt es dabei im Laufe der Zeit
zu keinerlei Selbstentladung. Das System ist geschlossen, kein
Wasserstoff geht verloren", sagt EPFL-Forscher Züttel.
Zugleich vermeidet die Elektrolyse mögliche Engpässe in den Netzen, die entstehen, wenn bei viel Sonnenschein große Mengen an Solarstrom in die Leitungen strömen.
"Haushalte bringen nicht die Masse"
Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und -systeme an der
Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH), ist von diesem
Konzept allerdings weniger überzeugt. "Um die Pariser Klimaziele zu
erreichen, brauchen wir eine Wasserstoffwirtschaft im industriellen
Maßstab, beispielsweise in Raffinerien oder in der Stahlindustrie. Haushalte sind da leider nur 'Liebhaberei' und bringen nicht die Masse", sagt der Wissenschaftler.
Zudem seien Elektrolyseure für den privaten Gebrauch enorm teuer.
"Das ist nur etwas für Menschen, die bereit sind, dafür mehrere
zehntausend Euro auf den Tisch zu legen", erklärt Sterner. Auch die
Kosten für die Speicher werden hoch sein, da sie, zumindest anfangs,
weitgehend per Hand hergestellt werden müssen.
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https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/wasserstoff-schweizer-entwickeln-wasserstoff-tankstelle-fuer-zuhause-a-1292625.html
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